Alles eine Frage der Perspektive

Expertentag: Der 3-dimensionale Blick auf die Werkstoff- und Schweißtechnik. Die digitalen Weichen in diesem Bereich sind gestellt.

Welche neue Technologien die Industrie schon jetzt beeinflussen und was die Branche in Zukunft erwartet, klärte der Tag der Werkstoff- und Schweißtechnik am 30.1. in Brunn am Gebirge.

Die Tagung, die von der TÜV AUSTRIA Akademie erstmals veranstaltet wurde, bot den Fachkräften der Werkstoff- und Schweißtechnik ein abwechslungsreiches Programm aus klassischen und digitalen Themen und lud zum Perspektivenwechsel ein.

Drohnen sehen alles: Inspektion aus neuer Perspektive
Drohnen sind längst kein Spielzeug mehr. Sie sind der „letzte Schrei“ in der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung und werden überall dort eingesetzt, wo schwer zugängliche Bereiche geprüft werden müssen. Sie dienen der schnellen visuellen Kontrolle und werden sowohl für Innen- als auch Außeninspektionen eingesetzt. In luftiger Höhe, aus sicherer 60-Meter-Entfernung, liefern sie beispielsweise detailgetreue Aufnahmen eines Rotorblattes eines Windparks. Auf ebenerdigem Terrain konnten sich die staunenden Tagungsteilnehmer gleich selbst ein Bild von der „Sehkraft“ einer Drohne machen. Werden Drohnen mit Wärmebildkameras ausgestattet, können Schäden an Industrieanlagen rasch identifiziert werden.

Digitize it I: Digitale Schweißsysteme
Die Zukunft der Digitalisierung hat schon begonnen. Die Digitalisierung bietet Schweißern und Schweißaufsichtspersonen ungeahnte Möglichkeiten, eine qualitative Schweißverbindung und gleichzeitig eine lückenlose Überwachung der Produktion sicherzustellen. Die digitalen Schweißsysteme von heute sind intelligente Kommunikationsgenies: Die Komponenten sind miteinander vernetzt, die Bedienung ist interaktiv und der Schweißprozess parametrisierbar. Plus: Die Schweißfehlervermeidung wird dank Stabilisatoren um ein Vielfaches leichter. Weitere Features sind speicherbare Schweißjobs sowie das digitale Schweißdatenmanagementsystem. Für die Qualitätssicherung der Schweißtechnik bedeutet dies mehr Sicherheit und Transparenz, für die Betriebe Zeit- und Kosteneinsparungen.

Digitize it II: Additiv denken
Der Begriff des 3D-Druck ist bereits in aller Munde. Was steckt dahinter und wo wird er angewendet? Beim 3D-Druck handelt es sich um ein additives Fertigungsverfahren, das nach dem Schichtbauverfahren arbeitet und digitale Produktion ermöglicht. Eingesetzt werden sollte dieses Verfahren jedoch nur dort, wo konventionelle Technologien an ihre Grenzen stoßen. Anwendungen finden sich in unterschiedlichen Größenbereichen wie z. B. in der Fahrzeugtechnik oder im Brückenbau. Wo viel Potential ist, ist aber auch viel Risiko (z. B. Patentschutz- und Urheberrechtsfragen beim Nachrucken von Bauteilen). Die manuelle Arbeit des Schweißpersonals wird dadurch nicht ersetzt werden. Die Kompetenzen des Schweißers werden mit neuen Fachdisziplinen verschmelzen, so das Résumé des Forschungskoordinators.

Digitize it III: Prüftechnik für Fortgeschrittene
Dass auch die Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung modernste Wege geht, zeigt die Vielfalt an neuen (Sonder-)Prüfverfahren. Heutige Ultraschallprüfgeräte sind im Vergleich zu früher Leichtgewichte und bieten eine Reihe von weiteren Vorteilen. Vorteile bei z. B. bildgebenden Phased Array-Prüfverfahren sind speicherbare Prüfdaten und eine verkürzte Prüfzeit. Für den Kunden reduziert sich dadurch die Standzeit und die Prüfung kann im Vergleich zur Durchstrahlungsprüfung jederzeit durchgeführt werden. Mittels digitaler Wanddickenüberwachung (corrosion mapping) kann der Prüfbereich von Rohrstrecken vollständig erfasst und in extrem hoher Auflösung bildlich dargestellt werden.

„Aus Fehlern lernen“, sagt der Hausverstand.
Niemand begeht gerne Fehler. Schweißfehler haben unterschiedliche Ursachen und einen erheblichen Einfluss auf das spätere Bauteilverhalten. Die Fehlermöglichkeiten sind zahlreich: Fehler entstehen beim Schweißen, im Betrieb, können werkstoffbedingt oder fertigungsbedingt sein. 45 % der Schweißfehler entstehen durch schlechte Verfahrensbedingungen. Fehler lassen sich nicht ausschließen, aber minimieren. Gut, dass es eine Reihe von Abhilfemaßnahmen gibt. Im geregelten Bereich, dort, wo die Gefahr groß ist, stehen klare Vorschriften zur Verfügung, die helfen, Fehler zu vermeiden. Software-gestützte Fehlerbewertungssysteme unterstützen zudem bei der Fehleridentifikation. Den Hausverstand einschalten und nicht allein auf normative Vorgaben vertrauen, sei eine der besten Methode in der Schweißfehlerprävention, so der Tipp des „Philosophen“ der Werkstoff- und Schweißtechnik.

Viele Stakeholder verderben den Brei
In der Erdöl- und Erdgas erzeugenden Industrie wird die schweißtechnische Fertigung oft an Dritte ausgelagert. Dies kann sich nachteilig auf die Qualitätssicherung auswirken. Hinzu kommen unterschiedliche Zielsetzungen der Stakeholder: Gewinn, Rendite, Kostenkontrolle und Instandhaltung sind konfliktär. Und: Im internationalen Umfeld ist es meist schwierig, gut ausgebildetes Personal zu finden. Gruppenzwang bei Third Party-Abnahmen und Belastung durch mehrfach beauftragte Personen erschweren die Erfüllung technischer und sicherheitsrelevanter Vorgaben zusätzlich. Die Erklärungen für festgestellte Qualitätsmängel sind dann vielschichtig. Das zeigen die unzähligen Berichte technischer Auditierungen von Partnerfirmen.

Wissen ist der beste Werkstoff
Über Aufgaben, Haftung und Kompetenzen von Schweißaufsichtspersonen diskutierte ein Fachexperten-Team aus Recht, Industrie, Herstellerzulassung und Aus- und Weiterbildung. Anlass ist die neue EN ISO 14731 über die Aufgaben und Verantwortung der Schweißaufsicht, die ab sofort den Hersteller für die Kompetenzbeurteilung der Schweißaufsichtspersonen heranzieht. Das Fazit: Die Ausbildung von Schweißaufsichtspersonen liefert notwendiges Basiswissen, lebenslanges Lernen sowie umfassende Erfahrung sind aber unerlässlich.

Am Podest:
Bruno Buchmayr (Montanuniverisität Leoben), Wolfgang Havlik (OMV Exploration & Production GmbH), Manfred Schörghuber (Fronius International GmbH), Arko Steinwender (Fraunhofer Austria Research GmbH), Alexander Mastnak (TÜV AUSTRIA), Daniel Irkuf (Kremsmüller Industrieanlagenbau KG), Thomas Bestebner (Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG), Katharina Umlaub (Schweißtechnische Zentralanstalt), Jochen Bognar (TÜV AUSTRIA), Sebastian Hofbauer (TPA KKS GmbH), Simon Kreuzer & Alexander Klösch (ARCEXPERT GMBH), Gerhard Höltmann (TÜV AUSTRIA)

Kontakt

T: +43 (0)5 0454-8000
E: akademie@tuv.at

TÜV AUSTRIA-Platz 1
2345 Brunn am Gebirge

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