Das war der Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten

Saubere Luft, saubere Gewässer, glückliche Schweine und Nachhaltigkeit – sind die Ziele zu hoch gesteckt?

Am Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten erklärten die Koryphäen der Nachhaltigkeit, was die Gesetzgebung und Unternehmen beitragen können, damit die Welt eine bessere wird.
 
Der Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten 2019 wird jährlich im Wiener Rathaus veranstaltet. Die Kooperation von Stadt Wien – Umweltschutz, Umweltbundesamt und TÜV AUSTRIA Akademie begeistert ca. 300 Interessierte vom Fach, die in einer Vortragsreihe rechtliche Neuerungen erfahren und spannende Inputs rund um die Themen Umweltschutz und Abfallwirtschaft bekommen. Dieses Jahr stand unter anderem eines der dringendsten Umweltprobleme unserer Zeit auf der Agenda: Kunststoffabfall.

Plastik in der Donau
Ein paar Zahlen: 355 Millionen Tonnen Plastik werden pro Jahr weltweit produziert. Der daraus entstehende Abfall beläuft sich allein in der EU auf 26 Millionen Tonnen pro Jahr. Auch in der Donau wurden bereits Anfang dieses Jahrzehnts mehr Plastik als Jungfische in der Donau gefunden. Der ehemalige BM Andrä Rupprechter rief daraufhin die ‚Soko Donau‘ ins Leben – das Umweltbundesamt, die BOKU und viadonau wurden auf den Fall angesetzt. Mit einer eigenen Beprobungsmethode machte man sich an die Arbeit: Gemessen wurde in verschiedenen Tiefen der Donau an den Messpunkten Aschach (OÖ) und Hainburg (NÖ). 2015 wurde das Ergebnis geliefert: 41 Tonnen Mikroplastik werden pro Jahr die Donau hinuntergespült, zum größten Teil stammt dieses Plastik aus landbasierten Quellen, wie beispielsweise dem Abrieb von Autoreifen. 10 Prozent der Partikel konnten damals der Industrie zugeordnet werden. Das stimmt aber heute nicht mehr.

Zero Pellets Loss
Die Studie schlug auch in der Industrie Wellen – 2015 wurde eine freiwillige Vereinbarung über innerbetriebliche Maßnahmen ins Leben gerufen, um die Verluste an Kunststoffen zu minimieren. ‚Zero Pellets Loss‘ unterzeichneten 25 Unternehmen, die insgesamt 90 % der Kunststoffproduktion in Österreich abdeckten. Die Industrie verpflichtete sich mit diesem Pakt, Auffangkörbe an allen Ladestellen und Gullys mit Sieben zu installieren und Massengutbehälter zu versiegeln. Nach einem Jahr wurde eine Erhebung in den Unternehmen durchgeführt, die zeigte: Der Verlust an Kunststoffen konnte auf unter einem Kilo pro Tag gesenkt werden. Vor allem die Installation der Siebe, aber auch die Aufklärung der Mitarbeiter/innen führte zum gewünschten Erfolg.

Doppelter Konsum, doppelter Wohlstand?
Das sichtbare Problem von Plastikabfall in unseren heimischen Gewässern und den Weltmeeren – das erregt mediale Aufmerksamkeit. Weniger sichtbar, aber umso dramatischer ist der Kunststoffabfall im Boden – laut ernstzunehmenden Schätzungen befindet sich dort mehr Abfall als im Meer. Keine Kunststoffe zu produzieren ist jedoch unrealistisch. Realistischer ist es, das Material so zu verändern, dass es vollständig biologisch abbaubar ist. Biokunststoffe müssen in längstens 180 Tagen abgebaut werden, unter Kompostierungsbedingungen strukturell zerfallen, und zwar ohne Verschlechterung der Kompostqualität. Außerdem müssen sie ohne toxische Zusätze sein – so sagt es die EN 13432, die abbaubare Kunststoffe in 4 Muss-Kriterien definiert. Alle davon müssen erfüllt sein! Aber nicht nur die Verpackungsindustrie kann mit Biokunststoffen zum Umweltschutz beitragen: Jeder einzelne Konsument kann Einwegtragetaschen mehrmals verwenden und so selbst zur Nachhaltigkeit beitragen. Denn: Doppelter Konsum ist nicht doppelter Wohlstand!

Kein Sackerl mehr für’s…?
Ab 01.01.2020 gilt ein Inverkehrbringungsverbot für Kunststofftragetaschen. Das wurde Juli 2019 im Nationalrat beschlossen, im Rahmen der Rechtsbereinigungsnovelle des Abfallwirtschaftsgesetzes. Nach einer 1-jährigen Übergangsfrist sind also die meisten Kunststofftragetaschen verboten, aber es gibt Ausnahmen: Sehr leichte Tragetaschen aus nachwachsenden Rohstoffen oder wiederverwendbare Tragetaschen sind weiterhin erlaubt. Neben dem Plastiksackerlverbot 2020 gibt es auch weitere gesetzliche Neuerungen: Sie betreffen das Erlaubnisrecht, die Aufzeichnungspflichten und die Behandlungspflichten von Abfall. Beispielsweise die Übergabepflicht an Berechtigte: spätestens nach 3 Jahren muss der Abfall übergeben werden. Achtung: die Fristenänderung könnte sich mit dem Altlastensanierungsgesetz überschneiden! Übrigens: Trinkhalme, Wattestäbchen und 1-Weg-Besteck sollen dem Plastiksackerlverbot folgen, wurde am Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten in Aussicht gestellt.

Phosphoreszierend
Phosphor ist ein essentieller Rohstoff, wichtig für Knochenaufbau und wichtig für die Landwirtschaft als Düngemittel. Die EU stufte ihn aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung und des Versorgungsrisikos als kritische Ressource ein – die Union ist zu 100 % importabhängig von China, den USA, Marokko, Russland. Die externen Kosten, die Transportwege und der wenig nachhaltige Abbau, all das ließe sich reduzieren, wenn die Stadt als Nährstoffquelle genutzt würde und Küchenabfälle, tierische Abfälle oder auch Klärschlammasche zur Phosphorgewinnung recycled würden. Wichtigen Input dazu lieferte ebenfalls ein Vortrag am Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten.

Best-Practice Abfallvermeidung
Mit gutem Beispiel geht die Fairmittlerei voran: Sie ist die Drehscheibe von Unternehmen und Ngos. Was die einen als unbrauchbar wegwerfen würden, vermittelt die Fairmittlerei an Non-Profit-Organisationen. Der Hintergrund: 2250 Tonnen allein an Drogerieprodukten werden in Österreich pro Jahr entsorgt, weil sie falsch etikettiert oder die Paletten beschädigt wurden. Die Reduktion dieser Abfallmenge hat sich die Fairmittlerei auf die Fahnen geheftet – sie übernimmt in ganz Österreich große Mengen von Produkten und vertreibt sie in kleinen Mengen im Webshop um bis zu – 90 % des Ursprungspreises. So können in Unternehmen Lager- und Entsorgungskosten eingespart und gleichzeitig die Umwelt geschont werden. Voraussetzung ist allerdings die Bereitstellung von Non-Food-Produkten.

Ebenfalls von Vorteil für Unternehmen: die Implementierung der SDGs (Sustainable Development Goals). Diese wurden im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung von 193 UN-Mitgliedsstaaten unterschrieben und definieren 17 Nachhaltigkeitsziele und 169 Unterziele. Unternehmen sind dazu aufgerufen, diese Ziele zu unterstützen. Sie können die SDGs als einheitlichen Bezugsrahmen sehen, um ihre eigenen Kernthemen zu steuern und zu evaluieren – das SDGFit-Programm hilft dabei. Die Workshopreihe bietet Unternehmen unter anderem eine individuelle Beratung direkt im Unternehmen, um die Ziele im Bereich Klimaschutz, Umweltschutz oder auch soziale Ziele zu finden und geeignete Maßnahmen zur Umsetzung zu treffen. Der Nutzen: Kostenreduktion, Imagesteigerung, Employer Branding.

Frischluft-Prüfer
Im Bereich Raumlufthygiene hilft TÜV AUSTRIA: Zur Gewährleistung der thermischen und hygienischen Behaglichkeit erhebt Österreichs führender Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsdienstleister in Unternehmen den Ist-Zustand, übernimmt die mikrobiologischen Kontrollen und die Analysen im Labor und erstellt Gutachten. Arbeitgeber sind laut ArbeitnehmerInnen-Schutzgesetz verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Dieser Schutz ist aber nicht mehr gewährleistet, wenn Schimmelpilze und Legionellen ein Gesundheitsrisiko darstellen. Auf die Innenraumluftqualität wirkt sich nicht nur das Lüftungsverhalten aus, sondern auch die benutzten Reinigungsmittel oder Emissionen aus Einrichtungsgegenständen. Und die Arbeitsstättenverordnung besagt: Anlagen und Einrichtungen sind mindestens einmal jährlich, längstens jedoch in Abständen von 15 Monaten auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen - darunter fallen auch Klima- oder Lüftungsanlagen.

Every day for future
Bei all den Herausforderungen unserer Zeit braucht es auch Abfall- und Umweltbeauftragte mit Überzeugungskraft, Hartnäckigkeit und Ausdauer. Sie sollten einen direkten Draht zur Geschäftsleitung haben, um die Umwelt-Ziele umzusetzen, Informationen je nach Zielgruppe entsprechend aufbereiten und Kontakt zur Behörde pflegen. Mutig sein, das schadet ebenfalls nicht – so wie Norbert Hackl vom Labonca Biohof mutig war: Er gründete mit 2 Schweinen einen Biohof, der von Zucht über Haltung bis zur Schlachtung den Schweinen ein Leben in Freiheit ermöglicht. Denn ausgewachsene Schweine haben in Österreich ihr Leben lang größtenteils nur Platz so groß wie ein Flipchart. Genauso wie Abfallbeauftragte oft andere Perspektiven einnehmen, um zu motivieren und zu informieren, so hat Hackl bereits 2003 anders gedacht als andere Bauern und ist seinen eigenen Weg gegangen. Heute leben auf seinem Hof 700 glückliche Schweine. Den eigenen Weg ist auch die ‚First Mom‘ Österreichs gegangen: Dominik Thiems Mutter ging bei der Karriere ihres Sohnes ebenfalls keine Kompromisse ein. Den vorgegebenen Weg mit Überzeugung weitergehen, dabei die Verantwortung für nachfolgende Generationen übernehmen und Abfallmanagement zum Thema machen: Das ist die Agenda von Umwelt- und Abfallbeauftragten genauso wie für Unternehmen und jedem einzelnen von uns, so das Fazit des Tag der Umwelt- und Abfallbeauftragten.

Am Podium:
Karin Büchl-Krammerstätter (Stadt Wien - Umweltschutz), Karin Thiem, Norbert Hackl (Labonca Biohof), Markus Wohlmuth (Stadt Wien - Umweltschutz), Philipp Hohenblum (Umweltbundesamt), Ines Fritz (Universität für Bodenkultur Ifa Tulln), Susanne Gfatter (FCIO – Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs), Katharina Aspalter (Denkstatt), Thomas Hruschka (Stadt Wien - Umweltschutz), Michael K. Reiter (Die Fairmittlerei), Yakup Tazi (TÜV AUSTRIA), Lukas Egle (Stadt Wien - Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark (MA 48)), Walter Melzer

Kontakt

T: +43 (0)5 0454-8000
E: akademie@tuv.at

TÜV AUSTRIA-Platz 1
2345 Brunn am Gebirge

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