Eine ebensolche Dynamik legte auch Sonnentor an den Tag. Was es für die Qualitätskontrolle im Wareneingang bedeutet, Rohstoffe von rund 900 Kräuter- und Gewürzprodukten in Bioqualität zu analysieren und zu überprüfen, schilderten Johannes Gutmann und Gerda Holzmann (SONNENTOR Kräuterhandelsgesellschaft mbH) in ihrem Vortrag, zu dem die beiden wie zahlreiche Teilnehmer/innen online zugeschaltet waren. Gründer und Haupteigentümer Johannes Gutmann hat seinen Blick für hohen Qualitätsanspruch durch die markante rote Brille und sprach über die Entstehungsgeschichte seines Unternehmens, von der einstigen One-Man-Show bis zur heute erfolgreichen Organisation mit 360 Mitarbeitenden.
Wie Qualitätsmanagement bei Sonnentor gelebt wird, erläuterte im Anschluss Gerda Holzmann. Beispielsweise die Analyse der Rohwaren erfolgt auf Basis von mehr als 600 Parametern, wobei es dabei etwa auch um die Identifikation von Fremdkörpern und Beikräutern geht. Dass sich dieser enorme manuelle Aufwand lohnt, zeigt sich wiederum darin, dass lediglich 0,01 % der jährlich verkauften Produkte reklamiert werden, was für eine ausgesprochen hohe Kundenzufriedenheit spricht.
Ist Qualitätsmanagement jetzt auch der Kaffee von KI?
Einen starken Kontrast dazu setzte DI (FH) Martin Hofstädtner, MBA (TÜV AUSTRIA) in seinem Vortrag, wie Qualitätskontrollverfahren mit Unterstützung durch KI automatisiert ablaufen können. So berichtete er etwa über KI-Systeme zur Echtzeitanalyse und -überwachung von Produktionsprozessen. Ob manuelle oder automatisierte Abläufe: Die Gemeinsamkeit liegt in der regelmäßigen Durchführung von internen und externen Audits.
Ist gegen Angst vor einem Audit ein Kraut gewachsen?
Auditor/innen begegnet in ihren Terminen nicht selten eine Mischung aus Aufregung und Anspannung. Dabei verfolgt ein regelmäßig durchgeführtes Audit die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und Arbeitsabläufe. Die meisten Auditor/innen führt das daher im Laufe ihrer Tätigkeit zur Frage: „Warum sind diese Vorbehalte gegenüber Audits noch so verbreitet und wie kann man das in seiner Rolle weiter positiv und aktiv entkräften?“
Neuer Pepp für alte Herausforderungen: Vom Bauchgefühl zur Kopfsache
Erklärungen und Strategieansätze zu dieser Fragestellung brachte Dr. Katharina Turecek (TÜV AUSTRIA) in ihrem Vortrag „Qualität mit Gefühl: Wie Emotionen und Antrieb im Gehirn entstehen“ auf kurzweilige Weise vor. Sie gewährte tiefgründige Einblicke in die Funktionen des Gehirns. „Dazu muss man wissen, dass Emotionen entgegen der allgemeinen Vorstellung nicht im Bauch, sondern im Kopf entstehen“, führte die Kognitionswissenschafterin aus. Das ist die Grundlage dafür, um zu verstehen, welche Vorgänge im Gehirn konkret passieren. Allgemein gilt, positive Emotionen verstärken Verhaltensweisen im Gegensatz zu negativen, die man vermeidet, reduziert oder denen man ausweicht.
Zum Glück – ein Audit!
„Zu Schwierigkeiten führt es, wenn Angst auftaucht, wo keine Angst hingehört. Wenn der sinnbildliche Alarmknopf im Kopf betätigt wird, braucht es schnelle und wirksame Tools und Techniken, um die Situation wieder zu lösen.“, brachte die Referentin die Sache auf den Punkt und bot den Teilnehmer/innen ein Beispiel. Man kann der Angst die Zeit geben, ohne direkt darauf zu reagieren, indem man langsam von 10 runterzählt. Denn eine Emotion löst schneller aus als der Verstand. Mit einer kurios anmutenden Aussage ließ sie in weiterer Folge ihres Vortrags aufhorchen: „Am besten begegnet man der Angst vor einem Audit mit möglichst vielen Audits.“ Motivation und Antrieb und das Schaffen von positiven Gegenerlebnissen ist die beste „Therapie“ gegen die Angst vor einem Audit. Viele Menschen macht es außerdem zufrieden, wenn sie auf einer Checkliste etwas abhaken und als erledigt markieren können. Das liegt an der Ausschüttung vom „Glückshormon“ Dopamin. Auditor/innen kommt die Rolle zu, ein wertschätzendes Setting aufzubauen, Erfolgserlebnisse zu schaffen, die Mitarbeiter/innen mit ins Boot zu holen und ein Bewusstsein für das Langzeitziel herzustellen. Ein Zertifikat, das man stolz nach außen tragen kann, erfüllt beispielsweise so ein langfristiges Ziel. Entscheidend ist es, möglichst große Motivation zu erreichen und die Abwehrreaktion dabei zu minimieren.
Weiters stand in Wien für Sie am Programm:
Von A wie Automatisierung bis Z wie Zertifizierung
- Über die Pionierleistung durch die Einführung von Lean Management bzw. Lean Logistik sowie die logistischen Rahmenbedingungen am flächenmäßig größten Krankenhaus Mitteleuropas – dem LKH-Univ. Klinikum Graz – startete Michael Kazianschütz (LKH-Univ. Klinikum Graz – KAGes) mit seinem Vortrag am TÜV AUSTRIA Qualitätstag.
- Ein- und Ausblicke im Zusammenhang mit der Entwicklung der ISO 9001 gewährte Dr. Elisabeth Pichler (TÜV AUSTRIA). Es ging sowohl um die Entstehungsgeschichte als auch um neue Perspektiven. Die Leiterin der Zertifizierungsstelle Managementsysteme, Personen und Produkte ging darauf ein, wie eine Norm überhaupt entsteht, wie Revisionsprozesse allgemein ablaufen und welche Änderungen voraussichtlich auf Qualitätsverantwortliche zukommen werden. Nach dem Motto „Gut Ding braucht Weile“ soll die neue Version der ISO 9001 nach dem Durchlaufen eines zusätzlichen Committee Draft voraussichtlich 2026 vorliegen.
- Franz Plank (KNAPP AG) widmete sich wie Dr. Pichler ebenfalls der ISO 9001 und erklärte, wie man aus seiner Warte diese Norm neu denken kann. Er sprach über sich der gegenwärtigen und zukünftigen Perspektive und beleuchtete mit „QMS Development Planning: The Governance Model as an anchor“, wie man ein Strategie-Modell in die betriebliche Praxis integriert und erklärte, was man bei der Umsetzung alles berücksichtigen muss.
Über den TÜV AUSTRIA Qualitätstag
Der Expertentag ist der Treffpunkt für Qualitätsverantwortliche, Führungskräfte und Auditor/innen, der zweimal im Jahr an unterschiedlichen Locations stattfindet. Dieses Jahr ging es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Qualitätsmanagement und damit verbundener Effizienzsteigerung und Automatisierung. Dass der Mensch – mit Herz, Hirn und Hand – dabei ein unverzichtbarer Bestandteil ist, zeigten weitere Vorträge auf. Weiters gab es Ausblicke auf die bevorstehenden Änderungen der ISO 9001. Raum gab es auch für das Thema Lean Logistik.