Der TÜV AUSTRIA Aufzugstag im MuseumsQuartier

Die diesjährige Fachtagung des TÜV AUSTRIA bot neben aktuellen Entwicklungen im Aufzugsbereich auch ein Update zu Norm, Recht und Praxis.

Der digitale Aufzug: Gemeinsam für mehr Sicherheit
Der Megatrend Digitalisierung ist nicht aufzuhalten und ist in vielen Bereichen der Aufzugstechnik spürbar. Viele Aufzüge sind heute ständig online, Bauteile kommunizieren über das Internet of Things miteinander und geben Rückmeldung. Kurzum: Systeme sind durch die zunehmende Vernetzung verletzbarer geworden und bedürfen erhöhter Sicherheitsmaßnahmen. Dies stellt Hersteller, Betreiber und Prüfer vor neue Herausforderungen: Jeder muss aktiv nach Lösungen suchen, um die Sicherheit im Aufzugsbetrieb zu gewährleisten.
Beim Umbau und der Modernisierung von Aufzugsanlagen, beim Softwaredesign oder bei der Anwendung der Betriebs- und Wartungsanleitung ist der digitale Wandel ebenfalls spürbar. Galt in den 90er Jahren die Errungenschaft von Notrufkommunikationssystemen noch als Revolution, mag für viele „Predictive Maintenance“ das Zauberwort der Stunde sein. Mittels Vorhersagen über das Eintreten von Störungen lässt sich die Ausfallsicherheit verbessern. Sicher ist: Der Aufzug der Zukunft besteht aus innovativen Steuerungssystemen, neuartigen Bauteilen, wird via Smartphone gesteuert und bringt den Aufzugsbenutzer vertikal und horizontal an die gewünschte Zielhaltestelle.

Der Aufzug in der Wolke
Sicherheit im Aufzugsbetrieb lässt sich auch durch digitale Lösungskonzepte erhöhen: mittels Anwenderschnittstelle („Application Programming Interface“ API), Fernwirkung („Remote Access Service“ RAS) und Cloud. Bei letzterem werden die Daten der Aufzugsanlagen in einer Cloud gesammelt, ausgewertet und Fehlermeldungen proaktiv an Betreiber und Aufzugswärter übermittelt. Dies schafft Transparenz und gibt Aufschluss über die Lebenserwartung der Anlagen. Ein Fernwirkungssystem ist ein Dienst, der eine direkte Verbindung zur Steuerungseinheit auf dem PC herstellt (z. B. über Tablet) und bringt Vorteile bei der Fehleranalyse und -behebung. Mittels Anwenderschnittstelle kann der Nutzer z. B. über eine App mit dem Aufzug kommunizieren. Nach erfolgtem „Fernruf über App“ erhält er umgehend Informationen über die zu erwartende Ankunftszeit.
Vernetzte Systeme führen jedoch auch zu Problemen in Hinblick auf die Netzwerksicherheit. Expertentipp: Nicht nur die IT-Infrastruktur sichern, sondern auch regelmäßige Software-Updates einspielen!

Blackout: Nichts geht mehr.
Ein überregionaler, über Wochen und Monate andauernder Stromausfall (Blackout) kann zur Realität werden. Er verläuft in drei Phasen und führt letztendlich zum Versagen von kritischen Infrastrukturen (Telekommunikation, Wasser- und Lebensmittelversorgung, Geld- und Gesundheitsversorgung). Welche Maßnahmen sollten Unternehmen im Fall der Fälle treffen? Welche Auswirkungen hat dies auf den Aufzugsbetrieb? Betriebe sollten unbedingt ein Blackout-Konzept erstellen, das festlegt, wo sich ein benannter Krisenstab trifft, um nähere Informationen und gegebenenfalls Hilfe von außen einzuholen. Tests helfen, das Konzept mit daraus gewonnen Erkenntnissen zu optimieren. Spezielle Sicherheitsvorkehrungen für den Aufzugsbetrieb sind: die Anschaffung von Ersatzstromaggregaten, ein zweites, unabhängiges Versorgungsnetz, die Funktionsaufrechterhaltung der Notrufeinrichtung, die Errichtung eines Notfallplans sowie die Bereitstellung von Personal (Aufzugswärtern), das regelmäßig über Notbefreiung geschult wird.

Recht. Norm. Praxis
Ob ein Aufzug eine CE-Kennzeichnung, also einen europäischen Reisepass, hat, spielt bei Umbauten eine bedeutende Rolle. Aufzüge ohne CE-Kennzeichen sind nach Normen errichtet und können nach einem Umbau (z. B. Austausch von Tragmittel) den neuesten normativen Anforderungen entsprechen. Anders verhält es sich bei Aufzügen mit CE-Kennzeichen: Diese müssen auch nach dem Umbau die Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen (GSA) erfüllen. Unter bestimmten Umständen ist dies durch ein Verfahren gemäß § 6b ASV 2015 zu beurteilen. Unkontrollierte Bewegungen des Fahrkorbs, die z.B. durch Energieversorgungsausfälle oder Bauteilversagen ausgelöst werden, sind laut aktueller Fassung der GSA durch Zubau einer Schutzeinrichtung zu verhindern. Aufgrund der „knappen“ Formulierung in der Aufzüge-Sicherheitsverordnung kam es jedoch zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen Umbaubetrieben, Betreibern und Prüfstellen, und damit zu oft erheblichen Mehrkosten für Betreiber. Um einheitliche Entscheidungskriterien zu schaffen, die festlegen, wann ein Umbauverfahren nach der Aufzugsverordnung einzuleiten ist, wurde ein Gremium mit der Ausarbeitung eines Anwendungsleitfadens gebildet. Dieser liegt derzeit noch beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Prüfung auf, kann aber bereits angewendet werden. Zahlreiche Praxisbeispiele (z. B. Ersatz von Puffern, Tragmitteln) machten deutlich, wann ein § 6b ASV-Umbauverfahren einzuleiten ist. Und zwar unter anderem dann, wenn der Montagebetrieb Komponenten einsetzt, die hinsichtlich Bauart und Anzahl unterschiedlich sind. Expertentipp: Um Kosten zu sparen, sollte der Montagebetrieb rechtzeitig mit der Planung beginnen und der notifizierten Stelle die Dokumentation rasch übermitteln.

Von Grundsätzen und Ausnahmen
Meist werden Betriebsanleitungen von Privatpersonen erst dann gelesen, wenn etwas passiert. Sind Aufzüge CE-gekennzeichnet, haben die handelnde Personen der Aufzugsbranche konkrete Verpflichtungen, aber auch Rechte. Welche das sind, klärte ein aus Aufzugsprüfer und Jurist bestehendes Referentenduo. So sind Hersteller zur Herausgabe einer Betriebs- und Wartungsanleitung verpflichtet, Instandhaltungsunternehmen zu deren Umsetzung. Die rechtliche Grundlage bildet die Aufzüge-Sicherheitsverordnung, die inhaltlichen Mindestanforderungen sind in der Norm EN 13015 verankert. Demnach sind alle handelnden Personen – Betreiber, Berater, Instandhaltungsfirmen, Prüfstellen und Aufzugswärter – an die Betriebs- und Wartungsanleitung gebunden. Im Fall der Fälle kann die Betriebs- und Wartungsanleitung zum entscheidenden Kriterium in Haftungsfragen werden. Wie es sich mit der Haftung unter den Beteiligten verhält, lässt sich jedoch nicht eindeutig beantworten, denn Gerichtsentscheidungen sind immer Einzelfallentscheidungen. Außerdem lieferte der Rechtsexperte wertvolle Tipps für die betriebliche Praxis: z. B. kann bzw. muss der Eigentümer die Herausgabe der Anleitung von jeder beliebig involvierten Person anfordern. Besteht Verdacht auf einen unzureichend ausgestalteten Wartungsvertrag, empfiehlt der Rechtsexperte dem Betreiber, der Sache auf den Grund zu gehen, um nicht in die Haftungsfalle zu tappen. Stellt der Aufzugsprüfer eine unordnungsgemäße Wartung fest, so sollte er dies in seinem Prüfbericht festhalten, um dem Betreiber einen entsprechenden Handlungsspielraum einzuräumen.

Die Referenten am Tagungstapet:
Mag. (FH) Christian Bayer (TÜV AUSTRIA Akademie), Ing. Thomas Maldet (TÜV AUSTRIA), Philipp Brüßler, MBA (Kollmorgen Steuerungstechnik), Ing. Stefan Störmer (TÜV AUSTRIA), Ing. Thomas Waili (TÜV AUSTRIA), Stefan Pfefferer, BSc., MBA (TÜV AUSTRIA), Mag. Robert Schgör (TÜV AUSTRIA Schreiner Consulting), Ing. Gregor Mayer (TÜV AUSTRIA)

 

Kontakt

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E: akademie@tuv.at

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