Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie umfasst mittlerweile zehn zentrale Prinzipien, die darauf abzielen, Abfälle zu vermeiden und Ressourcen effizienter zu nutzen. Drei davon – Repair, Refurbish und Remanufacture – rücken die Reparatur ins Zentrum der Bemühungen. Die Bedeutung dieser Strategie geht weit über Umweltschutz hinaus: Sie stärkt lokale Wirtschaftskreisläufe, reduziert die Abhängigkeit von Rohstoffimporten und fördert nachhaltiges Konsumverhalten.
Warum ist Reparieren so wichtig?
Die Verlängerung der Lebensdauer von Konsumgütern bietet enorme Potenziale. Eine Studie der Europäischen Umweltbüros (EEB) aus dem Jahr 2019 zeigt, dass allein durch die Verlängerung der Lebensdauer aller Waschmaschinen, Laptops, Staubsauger und Smartphones in der EU um nur ein Jahr rund vier Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden könnten.
Ein wesentlicher Punkt ist die Abfallvermeidung: Eine Studie aus unserem Nachbarland Deutschland zeigt auf, dass eine Steigerung der Reparaturhäufigkeit von 22 % auf 27,5 % 100.000 Tonnen Elektroschrott einsparen würde. Neben ökologischen Vorteilen bringt Reparatur aber auch weitere Mehrwerte: Haushalte sparen Kosten, regionale Arbeitsplätze werden geschaffen, und die Abhängikeit von Rohstoff-Importen und Lieferketten wird verringert.
Hindernisse auf dem Weg zur Reparaturgesellschaft
Trotz der klaren Vorteile bleibt das Reparieren in Österreich und anderswo oft die Ausnahme. Gründe hierfür sind vielfältig: hohe Reparaturkosten im Vergleich zu den günstigen Preisen für Neuprodukte, mangelnder Zugang zu Ersatzteilen oder Werkzeugen sowie fehlendes Vertrauen in die Qualität von Reparaturen. Zusätzlich erschwert unsere Konsumkultur die Etablierung eines reparaturfreundlichen Mindsets, gleichzeitig verschärfen fehlende Kenntnisse und Fähigkeiten zur Wartung und Eigenreparatur die Situation.
Wiener Vorzeigeprojekte: Reparatur fördern, Abfall vermeiden
Wien hat mit innovativen Ansätzen Pionierarbeit geleistet, um diese Hindernisse zu überwinden.
Seit bereits 25 Jahren fördert die Stadt Wien das Reparaturnetzwerk Wien, das mit über 150 Reparaturbetrieben und über 20 Do-it-yourself-Partnern eine beeindruckende Bilanz vorweisen kann: Jährlich führen sie rund 160.000 Reparaturen durch und vermeiden so rund 1.750 Tonnen Abfall. Dieses Netzwerk zeigt, wie lokale Initiativen effektive Lösungen bieten können – ökologisch und ökonomisch.
Ein jüngeres Beispiel ist der Wiener Reparaturbon, der Privatpersonen finanzielle Anreize zur Reparatur bietet: Die Stadt übernimmt 50 % der förderfähigen Brutto-Reparaturkosten, bis maximal 100 Euro, und auch Kostenvoranschläge bis 45 Euro werden bezuschusst. Diese Maßnahme senkt die Hemmschwelle für Reparaturen und macht sie für viele erschwinglicher.
Um die vielfältigsten Möglichkeiten des Reparierens aufzuzeigen und das Bewusstsein dafür zu verstärken, veranstaltete die Stadt Wien – Umweltschutz 2024 erstmals die repair:fair im Wiener Museumsquartier. Bei dieser zweitägigen Leistungsschau des Wiener Reparaturnetzwerkes konnten die Besucher teils auch kaputte Gegenstände mitbringen, die wenn möglich gleich vor Ort instand gesetzt wurden: Von Kleidungsstücken bis hin zu Fahrrädern. Die Neuauflage des Wiener Reparaturbons und die nächste repair:fair wien sind für das Frühjahr 2025 in Planung.
Ein Modell für die Zukunft
Die Förderung von Reparaturen ist ein entscheidender Schritt hin zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft und nachhaltigeren Lebensstilen. Österreichs Vorreiterrolle in der Kreislaufwirtschaft und die Wiener Lösungsansätze könnten als Modell für andere Städte und Länder dienen.
Um die Reparaturgesellschaft weiter voranzutreiben, braucht es jedoch neben finanziellen Anreizen auch Bildungsinitiativen, gesetzliche Vorgaben zur Reparierbarkeit von Produkten und eine stärkere öffentliche Sensibilisierung. Nur so kann Reparieren zur neuen Norm werden – für die Umwelt, die Wirtschaft und kommende Generationen.