Alois Schrems hat ein Fachbuch über organisationale Resilienz geschrieben, leitet einen Kurs zum gleichnamigen Thema und hat auch als Co-Autor an einem E-Learning-Programm über personale und Team-Resilienz mitgewirkt.
Vor über 2 Jahren war der Begriff „Resilienz“ nur Physikern bekannt. Jetzt kommt kein Unternehmen mehr daran vorbei. Was ist passiert?
Eine sich immer rascher verändernde Welt bestimmt sowohl den persönlichen, gesellschaftlichen als auch den unternehmerischen Kontext. Krisensituationen oder große Transformationen stehen immer öfter auf der Tagesordnung, ob in Form einer Pandemie, des Klimawandels, der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, der Inflation, unterbrochener Lieferketten, der demographischen Entwicklung oder der digitalen Transformation. Krisenantizipation, Anpassung, Veränderung und Regeneration, aber auch Innovation und das Lernen aus Krisen wird immer wichtiger für Unternehmen. Letztendlich hat die COVID-19-Pandemie klar gemacht, wie krisenanfällig unsere Gesellschaft und Wirtschaft ist.
Wie lässt sich Resilienz im Unternehmen verankern?
Die heutige Welt ist demnach eine von VUCA (VUCA, Akronym: Volatility steht für die Verletzlichkeit, Uncertainty für Unsicherheit, Complexity für Komplexität und Ambiguity für Mehrdeutigkeit) geprägte. Ausgehend von dieser Tatsache gilt es, Maßnahmen zu entwickeln, die helfen sollen, Krisen zu erkennen und Resilienz aufzubauen.
Das VUCA-Modell geht davon aus, dass überstandene Krisen(situationen) in jedem Fall Erfahrungen und Lerneffekte mit sich bringen, die für die zukünftige Risikoplanung und Resilienzstärkung nützlich sind. Daher ist es sinnvoll und wichtig, nach solchen Ereignissen die geschehenen Herausforderungen zu reflektieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Folgende Fragestellungen können dabei helfen:
- Wie effektiv wurde in der Vergangenheit mit Krisen umgegangen?
- Wie gut ist das Unternehmen auf zukünftige Krisen vorbereitet?
Im nächsten Schritt geht es um die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Kontext, um Krisen oder Signale annähernder Krisen zukünftig frühzeitig zu erkennen und entsprechende Vorkehrungen treffen zu können. Dabei wird zwischen innerbetrieblichen und externen Einflüssen unterschieden, also einem Blick nach innen vs. dem Blick nach außen.
Wie funktioniert die Implementierung in der Praxis?
Unternehmens-Resilienz bzw. Resilienz-Management ist als Policy zu verstehen, deren Implementierung vom Vorstand gemeinsam mit dem Eigentümer einmal als Handlungsfeld definiert und in Folge initiiert werden muss. Es braucht also eine Resilienz-Policy, aus der eine Strategie abgeleitet und ein Implementierungsplan definiert und abgesegnet werden müssen. Basis für ein erfolgreiches Resilienz-Management ist eine allfällige Adaption von Vision, Mission, Werten und dem Zweck (Purpose) des Unternehmens an die neue Policy. Danach erfolgt die Implementierungsphase. Strategische Ziele inklusive Leistungskriterien wie z. B. KPIs (Key Performance Indicators) und konkrete Initiativen müssen entwickelt werden. Die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sowie Ressourcen für strategische Initiativen müssen zugewiesen und sichergestellt werden. Ganz wichtig ist auch, dass der Nutzen und die Ergebnisse der Resilienz-Policy und -strategie transparent kommuniziert werden, damit die Belegschaft das Ganze auch mittragen kann. Bei der Implementierung ist auch sogleich die Art des Monitorings und der Evaluierung zu überlegen, um den Fortschritt der Umsetzung der Resilienzstrategie der Organisation zu überwachen.
Wie sieht ein Best-Practice-Beispiel aus?
Es gibt in Österreich einen Hygieneartikelhersteller, der am Beginn der Pandemie sehr agil sein Portfolio um Desinfektionsmittel für Endkunden erweitert hat. Das klingt sehr einfach, aber für ein Unternehmen, das auf B2B fokussiert ist, stellt die Erweiterung auf B2C-Vertrieb (inkl. online) eine große Herausforderung in der Gestaltung der Prozesse dar. Letztendlich hat sie sich aber bezahlt gemacht hat und wurde mit Wachstum belohnt.
Welchen Nutzen haben resiliente Organisationen?
Andrew Grove, ehemaliger CEO von Intel, hat einmal gesagt: „If the rate of change outside exceeds the rate of change inside, the end is in sight“. Unternehmen, die an ihrer Resilienz arbeiten, erkennen Veränderungen oder Krisen in ihrer Umgebung schneller und reagieren agiler darauf. Sie haben die Skills und die Unternehmenskultur, diese zu absorbieren, sich zu adaptieren und sich bei Bedarf auch zu transformieren, um ein anderes Unternehmen zu werden und dabei zu wachsen. Wer diese Fähigkeiten und die nötige Agilität nicht besitzt, verschwindet in Zeiten der Volatilität schnell und leise von der Bildfläche. Der Nutzen resilienter Organisationen ist die langfristige Existenzsicherung und Wachstum.
Wo besteht in Organisationen der größte Handlungsbedarf?
An der Awareness, dass es sich auszahlt, in Resilienzkompetenz zu investieren. Denn nach der Krise ist vor der Krise. Zu viele Unternehmen gehen zu rasch wieder in den Business-as-usual-Modus über. Damit gehen alle Erfahrungen der Krise verloren, die Lernkurve bleibt flach. Für eine nächste Krise, die ein Unternehmen vielleicht viel härter trifft, bleibt die Chance der Resilienz ungenutzt. Und dann könnte es zu spät sein!
Welche Rolle spielt die personale Widerstandskraft in diesem Kontext?
Veränderungen in der Arbeitswelt führen mitunter zu neuen Belastungsbereichen in den Arbeitsbedingungen von Beschäftigten. Neue Technologien, globaler Konkurrenzkampf und Innovationsdruck führen zu einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit in allen Bereichen, wodurch es auch zu einer allgemeinen Arbeitsintensivierung kommt. Alles das stellt eine Herausforderung für die psychische Widerstandsfähigkeit und Gesundheit von Beschäftigten dar. Resilienz ist also auch zutiefst systemisch zu sehen. Menschen mit guter personaler Resilienz bringen diese Kompetenz in Teams und Organisationen ein und stärken diese.
Wem empfehlen Sie das Buch, wem das E-Learning-Programm, wem den Kurs?
Das Buch eignet sich für Unternehmer*innen, die ihre Organisation resilient gestalten wollen, genauso wie für Expert*innen aus den Bereichen Strategie, Organisationsentwicklung und vor allem für Kolleg*innen, die in benachbarten Disziplinen wie dem Risiko- oder Business Continuity Management Erfahrungen haben. Wer lieber in Präsenzform oder online lernt, dem sei der Kurs empfohlen. Eine perfekte Ergänzung stellt das E-Learning-Programm dar, bei dem der Schwerpunkt auf der personalen und Team-Resilienz liegt. Ein Lernprogramm, das ich allen Mitarbeiter*innen und Führungskräften wärmstens empfehlen kann, da es das erforderliche Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Resilienzkultur schafft. Es erklärt, welchen Beitrag jeder einzelne zur Team-Resilienz beitragen kann.